Für die Vermarktung der flexiblen Fahrweise schließt der Betreiber einen Vertrag mit einem geeigneten Direktvermarkter ab. Diese stehen miteinander im Wettbewerb und unterscheiden sich deutlich. Der Direktvermarkter sollte nicht nur eine Bürgschaft für die Stromerlöse abgeben, sondern auch offenlegen, für welche Formen der Vermarktung er qualifiziert ist, wie die Managementprämie aufgeteilt wird und wie hoch der Zusatzerlös bei welchem Grad an Flexibilisierung ist.

Eine Betriebsweise mit täglich gleichen Betriebsstunden („Stundenplanbetrieb“) würde deutlich hinter den möglichen Erlösen zurückbleiben. Erst recht ist eine Betriebsweise „HT/NT“, also Betrieb tagsüber von 8 – 20 Uhr, Betriebsruhe von 20 bis 8 Uhr nicht mehr zeitgemäß und bringt nur kleine Zusatzerlöse. Betreiber sollten in solchen Fällen einen leistungsfähigeren Direktvermarkter zum Angebot auffordern.

Direktvermarkter bieten unterschiedliche Modelle an, Zusatzerlös als Festbetrag zu garantieren oder ein Erlösteilungsmodell zu vereinbaren. Seriöse Anbieter vertrauen auf ihre Leistungsfähigkeit und verzichten darauf, den Betreiber mit mehrjährigen Kündigungsfristen zu binden.

Eine enge Partnerschaft zwischen dem Biogasbetreiber und seinem Direktvermarkter ist vorteilhaft für die Flexibilitätsvermarktung. Beide Partnern vereinbaren die generelle Betriebsstrategie, wie z.B. Starthäufigkeit, Teillastfähigkeit, Wärmelasten oder Teilnahme an Regelenergiemärkten.

Das BHKW wird in den Ruhezeiten warm und startbereit gehalten. Die Systeme der Fahrplanerstellung und die Echtzeitsteuerung müssen stets einkalkulieren, wie viel Biogas und wie viel freies Speichervolumen an der Anlage verfügbar sind und ob es andere Restriktionen gibt, wie z.B. die Wärmenachfrage oder die Eignung einzelner BHKW für den Lastwechsel.

Der Fahrplanverantwortliche des Direktvermarkters (oder ein Dienstleister mit dieser Aufgabe) muss die Vorgaben des Betreibers beachten und stets den Anlagenzustand durch Messwertübertragung kennen. Daher wird mit einer Steuerbox auch ein bidirektionaler Datenaustausch eingerichtet, um die Betriebsdaten der Anlage zu überwachen.

Aus den EPEX-Preisprognosen wird ein optimaler Fahrplan des BHKW täglich aktuell errechnet, wie in Abbildung 9 zu sehen. Der Erzeugungsplan wird um 12 Uhr am Vortag in die day ahead-Auktion eingestellt. Der Betreiber kann Wartungszeiten oder beabsichtigte Veränderungen der erzeugten Biogasmenge eingeben. Unbeabsichtigte Schwankungen werden durch Abweichungen vom Speichersollwert erkennbar.

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Abbildung 11: Wochenfahrplan mit Gasspeicherfüllstand, Quelle: Flexperten, Ramboll (2017)

Nach dem absehbaren Preisverlauf (obere Zeile) wird die BHKW-Erzeugungskapazität so verteilt (mittlere Zeile), wie es der Biogasspeicher zulässt (untere Zeile). Hier limitiert der Gasspeicher die Ruhezeit auf 12 Stunden. Damit können die beiden typischen Tagesspitzen erreicht werden. Der betrieb in längeren Niedrigpreisphasen, wie z.B. Wochenenden, kann aber nicht vermieden werden.

Für den Betreiber ist diese neue Betriebsweise eine deutliche Entlastung, da nun die Biogasanlage nicht mehr stetig und mit maximaler Auslastung betrieben werden muss. Durch den Leistungszubau stehen ausreichende Ruhezeiten für Wartungsarbeiten zur Verfügung. Abbildung 9 und 10 zeigen exemplarisch die BHKW-Laufzeiten (rote Balken), in Verbindung mit den Marktpreisen (blaue Linie oben) und den Gasspeicherfüllständen (gelbe Linie unten). Es ist gut zu erkennen, dass das BHKW jeweils in den Hochpreiszeiten läuft und sich der Gasspeicher entsprechend füllt und leert. Das Speichervolumen in Abbildung 9 ist auf maximal 14 Stunden ausgelegt, daher müssen an windreichen Tagen oder wie hier am Wochenende niedrige Preise hingenommen werden.

Das Gasspeichervolumen in Abbildung 10 ist auf 60 Stunden ausgelegt. Dieser besonders große Gasspeicher kann sogar ein ganzes Wochenende überbrücken und die höheren Bedarfe an den Werktagen decken. Mit Hilfe eines Reingasspeichers von 18 m Höhe und 36 m Durchmesser wurde das z.B. an der Biogasanlage in Rixdorf umgesetzt (siehe Modellprojekte).

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Abbildung 12: Wochenfahrplan mit Gasspeicherfüllstand, Quelle: Flexperten, Ramboll (2017)

Der Gasspeicher reicht für 60 Stunden Ruhezeit. Das BHKW startet nur etwa 400 x pro Jahr. In längeren Hochpreisphasen kann das BHKW 12 Stunden laufen. Niedrige Preise am Wochenende (rechts in der Grafik) oder an aufeinander folgenden windreichen Tagen können vermieden werden.

Seit Ende 2014 werden Viertelstunden auch am Vortag auktioniert. Zusätzlich werden Viertelstundenleistungen inzwischen bis 15 Minuten vor der Erfüllung gehandelt. Experten erwarten, dass zukünftig bis wenige Minuten vor Lieferung noch Handel stattfindet.

Aufgrund dieser Entwicklungen muss man permanent die aktuellen Marktentwicklungen sowie die Anlage und ihre Flexibilitätsspielräume im Auge behalten. Nur so können die Fähigkeiten von Biogasanlagen und die Flexibilitätspotenziale von BHKW und Gasspeichern auch untertägig, „intraday“ ausgenutzt und optimal verwertet werden. Mit diesen Aufgaben würde ein einzelner Anlagenbetreiber die Expertise und stetige Marktpräsenz eines Energieversorgers benötigen, was in der Praxis sehr schwer zu realisieren ist.

Aktive Direktvermarkter, die eine permanent besetzten 24/7-Handelsplattform unterhalten, sind dahingehend ungleich besser aufgestellt und können mit den reaktionsschnellen, flexiblen Biogasanlagen innerhalb der geplanten Betriebszeiten zusätzlich Intraday handeln. Sie übermitteln dann die Start-/Stopp-Signale nahezu in Echtzeit.

Abbildung 13 zeigt einen Musterfahrplan, in dem mögliche Intraday-Eingriffe in einen optimierten Fahrplanbetrieb eingearbeitet wurden. Es ist gut zu erkennen, dass das BHKW in der Zeit läuft, in der die Handelspreise (orange Linie) hoch sind und über dem Marktmittelwert (gestrichelte Linie) liegt, der einem Grundlastbetrieb entspricht. Im Grundlastbetrieb wird ein durchschnittlicher Erlös von 2,4 Ct/kWh (im Bild: 24 €/MWh) erzielt. Durch Abschalten des BHKWs in den Niedrigpreiszeiten erhöht sich dieser auf 2,8 Ct/kWh. Mithilfe der untertägigen Fahrplananpassung am Intradayhandel steigen die Erlöse der gehandelten Viertelstunde auf deutlich über 3 Ct/kWh. Bei starker Flexibilisierung sind die BHKW zwar nur in wenigen Stunden am Tag in Betrieb, aber sie können in dieser Zeit umso höhere Leistung in den Handel einbringen, die dann – in Abweichung vom day-ahead-Fahrplan – zu- oder abgeschaltet werden können. Die stärkere Flexibilisierung ist daher auch im Intradayhandel nützlich und einträglich.

Abbildung 13 - Optimierter Fahrplan mit Intraday-Nachsteuerung.png

Abbildung 13: Optimierter Fahrplan mit Intraday-Nachsteuerung, Quelle: natGAS, Flexperten (2017)

Die gezeigten Varianten kurze Laufzeiten 13:00 bis 13:30 Uhr und Teillast von 8:00 bis 8:30 Uhr und 19:00 bis 19:30 Uhr sind Beispiele, aber nicht notwendig Bestandteile einer Betriebsweise. Start/Stopp und mindestens zwei Stunden Laufzeit ist für die meisten Biogasmotoren besser.

Biogas-BHKW werden dabei nicht im Viertelstunden-Rhythmus an- oder abgeschaltet. Es sinnvoll, die Start- und Stoppzeiten um eine oder mehrere Viertelstunden zeitlich zu verschieben. Bei niedrigen Preisen kann auch eine „heiße Pause“, also eine Ruhezeit ohne nennenswerte Abkühlung des Motors eingelegt werden – , wie in Abbildung 13 zwischen 20.00 und 21.00 Uhr zu sehen ist.

BHKW mit niedrigen Startkosten oder geringeren Wirkungsgradverlusten bei Teillast können am Intradaymarkt auch noch aktiver eingesetzt werden.