2022-08-19 Sommernewsletter
Und wie geht es weiter?
Gerade hat sich das sonnige Wetter etwas eingetrübt. Schön, wenn damit die Rekord-Dürre ein Ende hätte und nicht gleich neue Überschwemmungen die Folge sind. Leider kommen die trockenen Monate des Jahres erst noch, und viele Jahre mit immer extremerem Wetter stehen uns wohl bevor. Die Klimakrise ist also in unserem direkten Umfeld angekommen und hat alte Gewissheiten von gemäßigten Temperaturen, guter Wasserversorgung und sicheren Ernten tief erschüttert. Was das für Biogas bedeutet … ein Meinungsbeitrag.
Die Klimakrise ist angekommen: hier und schon heute. Wir befinden uns mittendrin, und sie ist nicht nur eine Krise, sondern eine ganze Kette teurer Katastrophen, mit wachsender Intensität.
Auch die letzten Nicht-Denkenden dürften begriffen haben, dass wir sehr schnell etwas dagegen tun müssen. Nur ganz Blaue hier, die Republikaner in den USA, und die Großprofitierenden der fossilen Energien tun immer noch so, als könne man Fakten durch Meinungen ersetzen und das Klima-Problem aussitzen, ohne die eigene Komfortzone zu verlassen. Schlimm: sie tun es überwiegend wider besseres Wissen.
Die neoliberale Ideologie: „Wir wollen aber niemandem vorschreiben, dass er/sie seinen Lebenswandel ändern muss“ oder die Haltung „Bloß nichts tun, was aktuelle Arbeitsplätze gefärden könnte“ sind dabei nicht viel besser. Damit verspielen wir die Bewohnbarkeit des Planeten – für ein paar Dollar, Rubel oder Euro zusätzlich auf ohnehin wohlgefüllten Konten.
Besonders ärgerlich daran ist, dass die Zusammenhänge seit mindestens vierzig Jahren bekannt sind; und seit Kyoto 1992 auf der internationalen Bühne stehen. Aber die meiste Zeit wurde mit Zweifeln, Geplänkel und Zögern vertan – jetzt auch noch mit Krieg.
Heute wissen wir sicher viel genauer, was gegen den Klimawandel, genauer: die selbstverschuldete Klimakatastrophe, zu tun ist. Für diesen Zeitverlust müssen wir nun allerdings gleich dreimal bezahlen:
Einmal bezahlen wir für die fortdauernde Abhängigkeit von fossilen Energien. Hunderte Milliarden fließen an Putins Kriegsregime und an eine ganze Reihe von ähnlichen Schurkenstaaten. Diese finanzieren mit den Exporterlösen für Öl und Gas den Luxus ihrer einheimischen Eliten und die Waffen, mit denen sie sich an der Macht halten. Obendrein profitieren internationale Ölkonzerne ohne eigenes Zutun von der Preisexplosion. Wollten wir nicht eine Wirtschaft, in der Leistung statt Nichtstun belohnt wird, Herr Lindner?
Ein zweites Mal bezahlen wir für die Reparaturen der bereits eingetretenen Folgeschäden des Klimawandels wie Überflutungen, Trockenheit, Waldbrände und ökologische Folgekosten in unabsehbarem Ausmaß. Nothilfe, Wiederaufbau und Resilienz gegen die weiteren, sicher eher wachsenden Klimawandel-Folgeschäden werden den nachfolgenden Generationen jeden Spielraum für Wohlstandsmehrung und soziale Umverteilung rauben. Das reiche Erbe der Industrialisierung wird damit großenteils verspielt.
Und schließlich, zum Dritten, muss die Transformation zu einer klimaschonenden, Treibhausgas-neutralen Wirtschaftsweisen ja auch immer noch bewältigt werden: Der Umbau im Verkehrssystem, Gebäudebestand, Industrie und Stromversorgung muss umso schneller fortgesetzt werden. Diese Investitionen versprechen immerhin, zu profitablen Innovations-, Konjunktur- und Beschäftigungsprogrammen zu werden.
Erstaunlich: Die Energiewende in der Elektrizitätswirtschaft ist inzwischen wohl eher der kleinste Posten. Angesichts der extrem hohen Kosten fossiler Brennstoffe sorgen die erneuerbaren Energien Wind und Sonne für Dumpingpreise im Stromsystem. Dort rechnet man noch für die kommenden zwei Jahre mit Strompreisen um 40 Ct/kWh (elektrisch) und mit Gaspreisen über 20 Ct/kWh (Feuerungswärmeleistung).
Die Preise für Gas werden wieder sinken, doch die teure Erschließung neuer Frackinggasquellen, die Verflüssigung zu LNG, der Schiffstransport zu den neuen Terminals und schließlich die immer knapper werdenden THG-Zertifikate dürften auf recht lange Zeit für ein relativ höheres Preisniveau als vor dem Ukrainekrieg sorgen.
Sogar Biogas ist damit plötzlich zum Preisbrecher geworden – sei es bei der Aufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz, sei es als Brennstoff für KWK-Anlagen und günstigen Spitzenlaststrom. Das Strompreissystem ist allerdings so konzipiert, dass die Lieferanten günstiger Energien in der „Merit Order“ der Spotmarktauktion schließlich mit den Preisen des markträumenden Kraftwerks belohnt werden.
Das bedeutet:
Noch lange werden die fluktuierenden Erneuerbaren Energien (fEE) Wind und Sonne überwiegend zu Zeiten liefern, in denen ihr Angebot noch nicht den gesamten Bedarf deckt. Für diesen Teil werden die jeweiligen einheitlichen Spotmarktpreise für das Grenzkraftwerk gezahlt, also die hohen Preise für Strom aus Gasturbinen (übrigens auch auf die noch laufenden fossilen Kohlekraftwerke, die sich mit Milliardengewinnen verabschieden können). Solange diese Grenzpreise so hoch bleiben, dürfte die bisherige EEG-Einspeisevergütung „arbeitslos“ werden.
Das verschafft die Illusion, die Erneuerbaren seien „im Markt angekommen“ und nicht länger subventionsbedürftig. Doch diese Blase wird platzen:
Wenn die EE-Einspeisungen den Löwenanteil ihrer Ernte in Zeiten mit EE-Übermengen einbringen, werden diese Strommengen, insbesondere für südgerichtete PV-Anlagen mit ihrer hohen Gleichzeitigkeit, ohne die fossile Preissetzung, also eher zu Preisen von knapp über Null vergütet.
Das dürfte im Mittel irgendwann nicht mehr ausreichen, sodass dann wieder eine garantierte Mindestvergütung nötig sein wird, um die Investitionen in weitere neue EE-Anlagen zu decken.
Doch am anderen Ende, bei Dunkelheit und Flaute, wird es noch weit über diese Zeit hinaus hohe Erlös geben: Wann immer Wind und Sonne nicht ausreichen, werden noch fossile Gaskraftwerke benötigt. Solange diese z.B. 20 Ct/kWhFWL für ihren Brennstoff bezahlen müssen, also mindestens für 50 Ct/kWhel anbieten müssen, können sich Biogasbetreiber über dieses Preisniveau freuen, auch wenn ihre eigenen Kosten vielleicht nur halb so hoch liegen.
Die Ertragsaussichten für Biogas sind für die kommenden zwei Jahre extrem günstig, aber abschwächend. Die mittelfristigen Aussichten bleiben sicher weiter noch sehr gut.
Jede Kilowattstunde Strom aus Biogasanlagen kann übrigens die gleiche Strommenge aus dem jeweils teuersten Gaskraftwerk verdrängen, hat also einen preissenkenden Effekt auf den Strommarkt.
Damit sind Biogas-Speicherkraftwerke die langfristigen Gewinner dieses politischen Versagens – und eine Hilfe dabei, die Energiewende doch noch rechtzeitig zum Erfolg zu bringen.
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