Flexibilisierung: immer mit individuellem Konzept!

Braucht wirklich jede Biogasanlage ein flexibles BHKW mit vierfacher Leistung? Wird stattdessen nur die Fütterung halbiert? Sollen alle Biogasanlagen auf Treibstofferzeugung umstellen? Sicher gibt es keine Lösung für alle Anlagen. Das Umweltbundesamt hat die führenden Biogas-Forschungsinstitute mit dem Projekt "Biogas2030" über die Zukunftsoptionen der Biogasanlagen beauftragt. Zur Beurteilung der Ansätze wurde zu einem Experten-Workshop nach Dessau eingeladen – auch die Flexperten. Die Beiträge von Robert Wasser und Uwe Welteke-Fabricius zur Diskussion sind hier wiedergegeben

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Das DBFZ, das Fraunhofer IEE (ehemals IWES), die dena und die Kanzlei BBH: entwickeln Perspektiven von Biogas-Bestandsanlagen in Deutschland aus ökonomischer und energiewirtschaftlicher Sicht. Dabei führt die Vielfalt der Biogasanlagen im Bestand zu unterschiedlichen Konzepten. Ansatz war, die Anlagen nach Größe und Substratversorgung in Cluster einzuteilen und für jedes Cluster eine Bewertung vorzunehmen.

Nach Meinung der Flexperten wirken mehr Faktoren, als man in eine Clusterung einarbeiten kann. Wir haben empfohlen, statt eines starren Rasters für die Zusammenfassung zu einzelnen Clustern lieber die vielen Faktoren jeder einzelnen Anlage anhand einer Checkliste zu analysieren und zu bewerten, um zu einer wirklich individuellen Empfehlung für die Wege der Biogasnutzung zu kommen.

Eine Gülleanlage ist unter ökologischen Gesichtspunkten genau dann maximal sinnvoll und nachhaltig, wenn sie die nachgelegene Güllefracht einer Tierhaltung aufnimmt, die Methanemissionen einfängt, die Stickstoff-Fracht aus der nitratbelasteten Region transportfähig macht und für benachbarten Regionen hochwertigen N-Dünger bereitstellt, und obendrein noch bedarfsorientiert Spitzenstrom erzeugt und einspeist. Die spezielle Förderung von Gülleanlagen muss ausgebaut werden. Soweit eine Größenbegrenzung überhaupt nötig ist, muss diese von der installierten Leistung auf die Bemessungsleistung umgestellt werden, damit auch eine Flexibilisierung möglich ist

Dafür fehlt noch ein Steuerungsinstrument, wie etwa eine Verpflichtung der Tierhalter, die von ihnen verursachte Stickstoffbelastung selbst zu verantworten und die Nährstoffüberschüsse auf Flächen zu verbringen, wo diese Nährstoffe aufgenommen werden können. Denn würden die Verursacher die Last dieser Verpflichtung tragen und z.B. bei der Ablieferung der Gülle an Biogasanlagen durch Zuzahlung entgelten, dann könnte man dem daran unschuldigen Stromkunden die Belastung der EEG-Umlage mit dem Güllebonus ersparen. Oder anders: In zukünftigen Ausschreibungsverfahren für den Bau von Gülleanlagen würde diese Kostenentlastung eingepreist, zur Senkung der Stromerzeugungskosten und damit zu einer niedrigeren Marktprämie führen.

Ziel der politischen Rahmenbedingungen sollte sein, dass ökonomisch angereizt wird, sämtliche in Ställen entstehende Gülle erst zu vergären und dann als Dünger zu nutzen.

Für nawaRo-Anlagen in güllereichen Regionen würde dies auch zum Anreiz, prioritär auf Gülle als Substrat umzusteigen.

NawaRo-Anlagen in Nähe einer Erdgasleitung sollten auf das Potenzial der Gasaufbereitung und -einspeisung überprüft werden, indem der Gasnetzzugang ökonomisch erleichtert oder gefördert wird.

An diesen Standorten kann ein zusätzlicher potenzieller Nutzen darin bestehen, für die in 2030 immer häufiger über den Bedarf hinausgehenden Spitzenerträge von nahe gelegene fluktuierende EE-Anlagen eine Elektrolyseanlage zu installieren und das CO2 der Biogasanlage direkt für die Methanisierung des elektrolytisch erzeugten Wasserstoffes zu nutzen. Das verbessert die Ausnutzungsgrade aller feE-Anlagen und entlastet die Netze.

NawaRo-Anlagen mit nachhaltigem Wärmebedarf, der für die Biogasanlage erschlossen werden kann, sollte die Vor-Ort-Verstromung beibehalten, durch Flexibilisierung saisonal angepasst und damit in die Nähe vollständiger Wärmenutzung weiterentwickelt werden.

Im gleichen Zug sollte angereizt werden, die installierte Leistung auf minimale Erzeugungskosten, lange Lebensdauer und hohe Spitzenerlöse am Strommarkt auszulegen (= 1.500 – 3.000 Bh/a). Dafür ist die bisherige Flexibilitätsprämie sehr gut geeignet. Ihr fehlt aber bisher ein Schutz vor Fehlverwendungen, wie er bei Erdgas-KWK besteht, indem dort die Förderung auf maximal 3.500 Betriebsstunden pro Jahr begrenzt wurde.

Damit die Flexibilisierung bei geeigneten Bestandsanlagen ohne Fadenriss bei den Bestandsanlagen weiterwirkt, muss sie 10 Jahre vor dem Auslaufen der EEG-Förderung eingesetzt werden, deshalb muss der aktuell gültige Deckel unverzüglich beseitigt werden. Außerdem sollten ungenügend flexibilisierte Anlagen mit dem erwähnten Wärmenutzungspotenzial für einen weiteren Leistungszubau die volle Förderdauer erhalten.

Fehlen am Standort der Anlage sowohl die Möglichkeit, Biogas aufzubereiten und ins Netz einzuspeisen, wie auch eine sinnvolle Wärmeverwendung, dann entfallen diese beiden Optionen.

Dann kann Biogas zu transportablem Treibstoff für landwirtschaftliche Maschinen, für den Transportsektor oder für technische Anwendungen aufbereitet werden. Das gilt zumindest so lange, bis die e-Mobilität auch diese Bereiche vollständig durchdrungen hat – also voraussichtlich noch ziemlich lange. Auch hier können über Synthese-Methan zusätzliche „Übermengen“ von feE Stromproduktion für den Transportsektor verfügbar gemacht werden.

Nur Anlagen, mit denen all dieses nicht zu bewerkstelligen ist (und zwar ganz gleich aus welchem der Cluster), werden bei einer wettbewerblich sinnvollen Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen ohnehin nicht mithalten können und stillgelegt.

Wenn eine Bewertungsmatrix zur Mutter aller Erkenntnisse werden soll, muss sie so gestaltet werden, dass sie die beschriebenen Bedingungen für einen sinnvollen Beitrag der Biogasbestandsanlagen zur Energiewende in den Jahren 2030ff definiert und damit die Erhaltungswürdigkeit der einzelnen Anlagen unterlegen. Die beste Fördersystematik kann man wiederum anhand der gebildeten Cluster ausarbeiten.